Wissenschaft wie Kunst vereint die Annahme, daß sie durch Modelle die Wirklichkeit (in Ausschnitten) re- bzw. konstruieren; die Dekonstruktion ist dabei nur eine der möglichen Methoden. In dieser verkürzten Darstellung werten wir Kunst wie Wissenschaft als "Medien" der Erkenntnis. Diese Gleichsetzung wird von Überlegungen getragen, wie sie etwa bereits Alexander Gottlieb Baumgartens (1735) Verständnis von Ästhetik als Wahrnehmungsphänomen 4 illustriert: Für ihn hatte "Ästhetik keineswegs die Kunst zum Gegenstand. Sie sollte insbesondere der Verbesserung des unteren, des sinnlichen Erkenntnisvermögens dienen" 5. Ästhetik wird in ihrer "aisthetischen Bedeutung" 6 gebraucht: als sinnliches Erkenntnisvermögen, nicht als normative Disziplin. In der Folge der Koppelung des Erkennens an das Beobachten durch die empirischen Wissenschaften wird zunehmend Wahrnehmung als Methode der Erkenntnis problematisiert. Am Beginn des 20. Jahrhunderts fokussiert der Wiener Kreis die sensorischen und kognitiven Implikationen der menschlichen Beobachtung, die mit der Wahrnehmung und der sprachlich vermittelten Darstellung ihrer Inhalte einhergehen. Jede wissenschaftliche Aussage sei dann - jene Implikationen ausschaltend - in einer streng formalen abstrakten Sprache möglich. In der Bemerkung von Oswald Wiener (1980) - "das ästhetische Erleben steht [...] nicht im Gegensatz zum Erkennen, es umfaßt Erkennen, es ist Erkennen" 7 - werden die Implikationen von Wahrnehmung in der Kunst und der Wissenschaft zusammengeführt. In den empirischen Wissenschaften hat das Erkennen methodische Implikationen; dies verweist auf Wahrnehmung als Prozeß der Wirklichkeitsbildung wie als Methode der Wirklichkeitserkenntnis. Für Medienkunst wäre darunter eine ihrer theoretischen Grundlagen zu subsumieren. Vor jeder wissenschaftlichen Erkenntnis steht allerdings die Wissenschaft der Erkenntnis, nämlich die Erarbeitung von Theorien und Methoden zur Erkenntnisgewinnung abseits des forschenden Individuums. Spätestens mit Gustav Th. Fechners "Vorschule der Ästhetik" (1876) 8 und dem Bewußtwerden der Methoden, die sich später als naturwissenschaftliche etablierten, wurden die Grundlagen für eine Abkehr der Kunst von ihrer romantischen Haltung, Alternativwelten zu skizzieren, und für eine Zuwendung zu dem, was ist, formuliert. Mit dieser Ästhetik entstand eine Wissenschaft zwischen Wissenschaft und Kunst. Heute vielfach geforderte Positionen können daraus abgeleitet werden, daß Naturwissenschaftlichkeit bestimmte Arbeitsverhältnisse etabliert. Objektives Forschen bedingt beispielsweise das Zurückdrängen der Subjektivität der forschenden Person und gliedert sie (meist) in einen Wissensverbund ein. Im Gegenzug mutiert in der Kunst der Schöpfer zum Initiator, Subjektivität weicht zunehmend objektiver Betrachtung, Kunst als Erkenntnis geht vom Besitz weniger Individuen in öffentliches "Eigentum" über. Parallel zum Transfer von "Wissenschaftlichkeit" in die Kunst sind Ansätze der Öffnung der Wissenschaft gegenüber den Potentialen der Kunst zu beobachten.
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