KUNST ALS MASSENMEDIUM Festzug zum Tag der deutschen Kunst in München Indem in der Tradition des Idealismus des 19. Jahrhunderts Kunst als höchster Ausdruck einer (nationalen) Kultur verstanden wird, bilden die Nationalsozialisten den kulturellen Bereich der Gesellschaft und den theoretischen Begriff von Kunst zu einem Austragungsort (macht-)politischer Entwürfe um: über und durch die Kunst lässt sich das "neue" politische Konzept darstellen, zu Symbolen verdichten, als Programm überhaupt erst greifbar machen. Es geht bei dieser (Selbst-) Darstellung immer auch um die Bedeutung von Kunst im Rahmen kollektiver Integrations- und Identifikationsmechanismen, den Zugriff auf bzw. das totale Erfassen des Individuums: indem die Nationalsozialisten die Kultur neuerlich ritualisierten - was die zahlreichen Aufmärsche, Fackelzüge und öffentlichen Treueschwüre zeigen - erhielt die Kunst diejenige Funktion innerhalb der Kultur zurück, deren Verlust Walter Benjamin gerade erst konstatierte: ihre Fundierung auf den Kult, den Kultwert des Kunstwerkes, der, wiederum entgegen Walter Benjamin, mit der Fundierung auf die Politik zusammengelegt wurde. Der Einsatz kollektivierender Rituale, die Mobilisierung der Massen, ihre Formierung zu einem einheitlichen Kollektiv bediente sich immer auch ästhetischer Leitbilder und Motive. Die Kunstpolitk der Nationalsozialisten zielte auf die Schaffung von Idealtypen, normativen ästhetischen Ordnungen, denen dasselbe Reaktionsmuster wie den gesellschaftlichen Massenbildungen entgegengebracht werden sollte - eine Konditionierung des Individuums zur Identifikation mit kollektiven Symbolen, die letztlich das neugeordnete und neuorganisierte Volk repräsentieren sollten. Das Individuum wurde wie der öffentliche Raum durch Herrschaftssymbole erfasst und in eine "neue Ordnung" zu bringen versucht. Öffentliche Kunst wurde Teil eines ästhetischen Koordinatensystems, eines Bezugsfeldes für die Vergegenständlichungen und Versinnbildlichungen der Gehalte nationalsozialistischer Ideologie. Ein Grossteil der Kunstproduktion ist implizit im Hinblick auf Öffentlichkeit entstanden: Der Zugriff auf das Individuum verwandelte den Privatraum in eine Sphäre nationalsozialistischer Öffentlichkeit. |