ZUM BEGRIFF "MUSEUM"

Kommentar von Reinhard Braun


1. EINE ORDNUNG DER DINGE
Das Museum, der Begriff und die Vorstellung davon, ist vor allem durch eine bestimmte Art und Weise gekennzeichnet, auf die Welt zuzugreifen, sie sich anzueignen: Forschen, Sammeln, Klassifizieren, Ordnen, Beschreiben, Rekonstruieren, Schützen, etc., d. h. kulturelle Mechanismen der Konsolidierung und Tradierung von Erfahrung, Wissen, Macht, von Herrschaft und Autorität konvergieren auf die Vorstellung des Museums hin, das zugleich mit Formen von Öffentlichkeit verknüpft ist.

Es geht von Anfang an also auch darum, den spezifischen Zugriff auf die Welt nicht nur zu vollziehen, sondern auch zu vermitteln: Museum richtet sich gleichermassen auf die Welt der Dinge wie auf Bewusstsein.

Es ist genau diese Schnittstelle zwischen dem Bereich des Symbolischen und jenem des Realen, der Macht und des Einflusses, an dem auch das Konzept des Linzer Führermuseums angesiedelt ist: wenn eine museale Ordnung immer auch eine Ordnung der Welt bedeutet, dann stellt das Führermuseum exemplarisch eine solche Weltordnung buchstäblich dar. Es projiziert Wertigkeiten auf die Welt und reproduziert sie in seiner Ordnung: der Ordnungsbegriff steht überhaupt im Zentrum nationalsozialistischer Kulturpolitik.

Das Museum stellt somit aufgrund derjenigen Mechanismen, mit denen es operiert, überhaupt kulturell operabel werden kann, ein ausgezeichnetes System dar, anhand dessen der Nationalsozialismus seine Darstellungen von Kultur in Gang setzen kann.



2. MUSEUM ALS INSTRUMENT KULTURELLER REPRÄSENTATION
Das Museum ist auch von den Nationalsozialisten als sowohl funktionaler wie auch ritueller Ort erkannt worden, ein Ort der Reproduktion und auch der Definition von Kultur.

Es verlängert und projiziert seine Definitionen von kulturellen Wertigkeiten und Hierarchien auf ein Feld von Gegenständen, folgt dem unbedingten Imperativ, Ordnungen zu errichten, die die Ordnung der Kultur repräsentiert und verdoppelt: das Museum repräsentiert WERTE, die es nicht nur anzeigt, vorzeigt, sondern auch weiterträgt, es formuliert Vorstellungen von Stabilität, Kontinuität und Tradition, es stellt einen Anschluss an Geschichte her, indem es historische Werte und Sinnstrukturen verdoppelt und auf eine An-Sammlung von Objekten projiziert: es ist nicht das Konzept des Museums, das hier zur Debatte steht, es sind vor allem diejenigen Sinnstrukturen, deren Projektion ihm anvertraut werden: wie im Zusammenhang mit dem Begriff der Kulturpolitik in diesem Projekt zu argumentieren versucht wird, sind es nicht bestimmte Inhalte oder Argumente bzw. Vorstellungen, die der Nationalsozialismus initiiert oder entwickelt hätte, sondern vor allem die Logik, nach der er sie verknüfte, die Logik, nach der "neuer" Sinn produziert wurde, die seine Ungeheuerlichkeit vor allem ausmachen.

Auch das "Führermuseum" stellte einen Teil dieser Logik dar wie auch der "Sonderauftrag Linz": auch an ihnen lässt sich die Strategie der Unterwerfung, der Auslöschung, der Aneignung, der Ausmerzung des Anderen ablesen.

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