ROBERT SCHOLZ:
"Lebensfragen der bildenden Kunst",
München 1937


Es ist (...) ein Hauptprolem der Gegenwart, die herrschende Weltanschauung auf die Welt der künstlerischen Gestaltung zu übertragen und aus dieser Weltanschauung brauchbare und im Wesen entsprechende ästhetische Normen zu entwickeln. Hier gelangen wir auf den Boden der heutigen Geisteswende, zu völlig anderen Auffassungen über den Charakter des Ästhetischen, den Sinn und die Aufgabe der Kunst als die Vergangenheit. Ästhetik ist in unseren neuen Auffasung nicht etwas, was als nachträgliche Regel aus dem individuell geschaffenen Kunstwerk herausgezogen werden könnte, nicht eine Erkenntnis, welche aus der psychologischen Relflektion des Beschauens gewonnen wird, nicht ein subjektiver und zweitgebundener Wert, sondern ein Glaube und eine Zielsetzung, die ihre Gewissheit aus der ausserästhetischen Sphäre der Weltanschauung bezieht. Nicht aus zufällig gewordenen, individuellen Kunstprodukten, nicht aus der psychologischen Zerlegung des künstlerischen Schaffensvorganges, sondern nur aus den Zentralideen der Zeit können die neuen ästhetischen Begriffe und Normen gebildet werden. (...) Kunst ist somit kein Produkt eines völlig ungebundenen Spieltriebes, wie es die Vergangenheit glaubte, sondern eine blutgebundene Selbstdarstellung der Rasse und ihres schöpferischen Ingeniums in jener Form, welche ihre Körperlichkeit und der ihr entsprechenden Sinnlichkeit gemäss ist.


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