DER KUNSTMARKT Kommentar von Reinhard Braun Der Erwerb bzw. die aus verschiedenen Gründen vorübergehende Aneignung von Kunstwerken in diesem Ausmass wurde allein durch die Kriegsumstände möglich. Innerhalb des Reiches wurden sehr bald gesetzliche Möglichkeiten geschaffen, um jüdisches oder allgemein staatsfeindlichen Besitz zu beschlagnahmen. Diese Regelungen galten auch für alle besetzten Gebiete - in diesem Sinne waren sie keinerlei Handelsbeschränkungen unterworfen, es gab also keine Ausfuhrbeschränkungen Kulturgut betreffend. Aber dies waren nicht die einzigen Konsequenzen für den Kunstmarkt. Viele - auch kleinere - Sammler sahen sich aufgrund der Situation zur Emigration gezwungen und versuchten vorher, ihre Sammlungen zu verkaufen oder, sofern das nicht gelang, mitzunehmen und zuletzt zurückzulassen. Deshalb gab es zahlreichen herrenlosen Besitz und vor allem grosse Mengen an Kunst im Handel. Als es zudem offenkundig wurde, dass das Deutsche Reich umfangreiche Käufe tätigte, reagierten auch die Händler in ganz Europa auf dies Konjunktur und baten Hitler bzw. dessen Agenten ihre Objekte an. Im Windschatten des Krieges zeigte sich die Möglichkeit zum Profit, den zahlreiche Händler in Europa auszunutzen versuchten und verstanden. Ein Kunstmarkt wurde gewissermassen erzeugt: ein Ergebnis der machtpolitischen Verschiebungen in Europa, deren Auswirkungen sich nicht nur auf der Landkarte ablesen liessen, sondern auch und vor allem das wirtschftliche und kulturelle Leben in Europa kurzfristig völlig neu bestimmten. Diese Neuverteilung erzeugte gleichzeitig ein Netz von Intrigen, Interessen, Machtkämpfen, Profitstreben usw., dessen Gegenstand Kunst bzw. Kunstgegenstände im weitesten Sinn waren - ein Netz, das ganz Europa parallel zum Kriegsgeschehen überzog und sozusagen dessen permanenten Hintergrund bildete. |