DIE BERGUNG

Bis um 1700 war Vermeer in zahlreichen Sammlungen vertreten. Seine Bilder, deren Käufer im gehobenen Bürgertum anzunehmen sind, vermochten die den Käufern eigene Lebenserfahrung zu präsentieren. Ihr Ausdruck war mit deren sozialer Selbsteinschätzung ident.

Als in Europa im Zuge des Absolutismus eine Feudalisierung der Kultur einsetzte, musste sich diese Selbsteinschätzung und damit auch der Bildzugang auflösen. Bilder dieses Genres standen nicht im Mittelpunkt der Interessen und somit auch nicht der Kunstmarktbewegungen.

Das zentrale Phänomen in der Geschichte des Bildes ist dessen Zuschreibung an Vermeer im Kontext einer bürgerlichen Definition von Kultur sowie bestimmter Kunsttendenzen. Um 1860 etabliert sich in Frankreich der "Realismus" und mit ihm der Eingang von sozialer Wirklichkeit ins Bild. Dieser Vorgang ist symptomatisch für die Rezeption von Kunst. Er veranschaulicht den engen Zusammenhang des je eigenen kulturellen Horizonts mit der Fähigkeit, geschichtliche Phänomene zu begreifen und sie über die Zuschreibung einer kulturellen Bedeutung auch als ökonomischen Wert zu bestimmen.

Erst mit der Möglichkeit, das Bild objektiv als Projektionsfläche für die Definition der eigenen Identität und des eigenen sozialen Anpsruchs zu begreifen, beginnt auch seine Definition als ein ökonomisches Objekt.Seine weitere Geschichte ist von dieser Verbindung von kulturellem Zeichenträger und Wertobjekt bestimmt.