Geöffneter Zustand (Sonntagsseite)
Alle Darstellungen - besonders aber jene der Sonntagsseite (innen) - weisen grosse Sorgfalt und Reichtum in der Ausführung, besonders der Gewänder, sowie realistische Darstellungsprinzipien auf. Atmosphärische Licht- und Farbnuancen der Landschafts- sowie der grossen Figurendarstellungen und die stofflichen Oberflächenerscheinungen sind überzeugend ins Bild gesetzt.
Das inhaltliche Programm des Genter Altars ist von grossem Umfang. Im Zentrum steht die "Ecclesia", die Kirche, als Gemeinschaft der Gläubigen, und im Mittelteil der Innenseite (Sonntagsseite) das Gottesreich, die "urbitas dei", der Gottesstaat im Sinne des frühchristlichen Theologen Augustinus.
Auf diese mystische Einheit hin sind die Tafeln des Altars bezogen, die unterschiedliche Zeitebenen repräsentieren, spirituell aber im Idealbild der vollkommenen Kirche als dem zukünftigen Gottesstaat verschmelzen und sich auf die Gegenwart als Teil dieser Entwicklung beziehen. Mit diesem Geschichtsmodell waren gleichzeitig aber auch soziale Forderungen und politische Ansprüche verknüpft, die durch den Altar symbolisch eingefordert werden.
Stilistisch auf die beginnende nordeuropäische Renaissance weisend, verknüpfen sich in dem Altar die "moderne" Form und der religiöse Inhalt doch noch nach mittelalterlichen Prinzipien, zeigen sich in seiner Heterogenität auch die komplexen sozialen, politischen und wissenschaftlichen Umschichtungen der Zeit.
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