DAS "UNVERSEHRTE OBJEKT"

Nachdem der Altar durch die Auflösung des Ensembles ästhetisch verfügbar geworden war, wurde im 19. Jahrhundert im Zuge einer allgemeineren Entwicklung (Historismus) wieder versucht, die ursprüngliche Form herzustellen. Die Rekonstruktion des "Originals" rückte in den Mittelpunkt. Diese Auffassung vom "historischen Objekt" und die Tatsache, dass der Altar als Kultur- (nicht als religiöses) Objekt zu einer Sache des Staates und der Nation geworden war, bewirkte - neben machtpolitischen Faktoren - schliesslich seine Wiederherstellung im 20. Jahrhundert.

Nur das unversehrte Objekt ist in der Lage, nationale Identität und Kulturanspruch zu repräsentieren - die Wiederherstellung des Altars symbolisierte so die Wiederherstellung der nationalen Integrität. Gerade gegen territoriale, vor allem aber (andere) kulturelle Identitäten richtete sich die Politik der Nationalsozialisten: die Aneignung von Kulturgütern folgt dem Anspruch der Unbedingtheit der eigenen kulturellen Identität, die sich Wertigkeiten sozusagen akkumulativ einverleibt. Auch der Genter Altar wurde das Ziel einer expansiv angelegten materialistischen Kulturpolitik.